Hochsensible und das Gefühl von Verbundenheit und Akzeptanz
Dieser Journal-Beitrag nimmt die weitreichende Bedeutung von Verbundenheit und Akzeptanz gerade für hochsensible Menschen in den Blick.
Beides sind fundamentale menschliche Bedürfnisse.
Bleiben sie unerfüllt, entsteht das schmerzhafte Gefühl, sich ausgegrenzt zu fühlen.
Umso mehr gilt das für hochsensible Menschen, die sich oft als „anders“ oder sogar fremd empfinden.
Wie es es feinfühligen Menschen gelingt, mehr Verbindung und Angenommensein zu erleben – mit sich selbst, dem Umfeld, und auch mit der Natur, liest du hier.
Zugehörigkeit heißt Okay-Sein
Wie fühlt sich für dich als Hochsensibler Mensch das tiefe Gefühl echter Verbundenheit an?
Sei es mit einer anderen (feinfühligen) Person, einer Gruppe, mit dir selbst, oder mit der Natur, mit Tieren und Pflanzen.
Wie viel bedeutet es dir, von deinem Umfeld aufrichig angenommen zu sein als gesamte Person?
Zugehörigkeit bzw. ein Gefühl des Verbundenseins ist das, was fehlt, wenn viele hochsensitive Menschen sich wie auf dem falschen Planeten erleben oder sich wie ein Alien vorkommen.
Das fühlt sich fremd an, isoliert, abgeschnitten, außen vor, alleine, einsam an – viele fühlen sich nicht gehört, nicht verstanden und nicht gesehen.
Es fehlt das Empfinden von emotionaler Anbindung – besonders mit Menschen die ähnlich beschaffen sind.
Wenn regelmäßiger Kontakt zu Gleichsinnigen bzw. Gleichgesinnten im eigenen Umfeld gefunden und gestaltet wird, entsteht damit auch die Möglichkeit, sich in anderen feinfühligen Menschen, ihrem Verhalten, ihren Ansichten wiederzuerkennen und sich daran zu verorten.
Daher ist es gerade für Hochsensible Menschen so wertvoll, durch das Gegenüber nuanciert gespiegelt zu werden, um sich und seine Wesensart besser erkennen und verstehen zu können.
Zugehörigkeit bedeutet, man ist als Mensch rundum, mit allen Schnörkeln, Ecken und Kanten, mit seiner Feinfühligkeit und allem anderen „vollkommen in Ordnung“ und willkommen.
Es bedeutet, dass man als gesamte Person geliebt und angenommen ist.
Herausforderungen der sozialen Anpassung
Von vielen erhöht neurosensitiven Menschen höre ich, dass sie sich seit ihrer Kindheit als anders oder fremd erleben. Mit zunehmendem Alter werden die Unterschiede im Denken, Fühlen und Verhalten zum Umfeld deutlicher.
Ein ausreichendes Zugehörigeitsempfinden entsteht dabei kaum, eher fühlt man sich als feinfühliger Mensch als Außenseiter_in:
Zu empfindsam für Clubs, überfordert von Partys. Genervt beim shoppen mit der Freundin, im Restaurant zu reizgeflutet für Genuß.
Der stickige Mief & die Enge in den Öffis macht atemlos, man kommt schon erschöpft am Arbeitsplatz an.
Die beliebten Kino-Blockbuster sind zu laut, zu grell, zu schnell, zu krass und machen schlaflos.
Und After-Work-Treffen? Lieber nur noch nach Hause und seine Ruhe haben.
Das typische Interesse der Feinfühligen an Tiefgründigkeit stößt im Umfeld auf Unverständnis.
Sensitive Menschen fühlen sich häufig alleine mit ihren Themen, Gedanken und Vorlieben.
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Überanpassung an ein normalsensibles Umfeld
Um Ablehnung oder Abwertung zu vermeiden, passen sich viele erhöht neurosensitive Menschen übermäßig an ihr Umfeld an. Dahinter steht der Wunsch nach Angenommensein, Verständnis und Wertschätzung.
Im Versuch, mit dem Umfeld mithalten zu können, sich unempfindlich und nicht verletzlich zu zeigen, muten Hochsensible sich dann oft zuviel zu.
Daraus entsteht Überlastung, Überreizung und oft (Dauer-) Stress bis hin zur Erschöpfung.
Ist der Körper dauernd im Stressmodus, nimmt u.a. die Empfindungsfähigkeit ab und man spürt sich selbst und die eigenen Gefühle und Grenzen nicht mehr deutlich.
Das ermöglicht eine Weile lang noch mehr Überlastung.
Die Folge sind weitere gesundheitliche Beeinträchtigungen, bis hin zu Depression, Ängsten oder Burnout.
Vergleichen und einordnen
Durch soziale Vergleichsprozesse verorten wir uns, ordnen uns ein und erschaffen diese Weise Zugehörigkeit und emotionale Sicherheit.
Das ist ’normal‘ und ist gesellschaftlich sinnvoll. So sind wir biologisch, neurologisch und evolutionär geprägt.
Auch als hochsensibler Mensch versucht man sich im (meist normalsensiblen) Gegenüber wieder zu erkennen bzw. zu spiegeln.
Gedankliche Vergleiche wie z.B. „bin ich auch so belastbar/gesellig/tough? etc“, oder innerliche Appelle wie z.B. „ich muss auch so belastbar / erfolgreich/ tough / gesellig …. sein wie …“ sollen dabei helfen, sich einzuordnen, anzupassen, um Zugehörigkeit und emotionale Sicherheit zu empfinden.
Verbiegen und maskieren
Die Reaktionen aus- und Interaktionen mit dem Umfeld einer überangepassten hochsensiblen Person spiegeln wenig vom echten hochsensiblen Selbst – weil genau das hinter der angepassten Maske versteckt ist.
So entsteht durch die Orientierung an ungeeigneten Vorbildern ein falsches Spiegelbild bzw. ein falsches Selbst(bild), denn als feinfühliger Mensch empfindet, denkt und handelt man oft eben anders – nuancierter, nachdenklicher, vorsichtiger, vielleicht langsamer, gründlicher, (…) als das Umfeld.
Viele Menschen empfinden und bezeichnen die Strategie der Überanpassung auch als „Verbiegen“ oder als „Maske“.
Auf diese Weise Verbundenheit und Akzeptanz zu erleben, kann auf Dauer unbewusst zu einem Automatismus werden.
Dabei kann das Verdrängen der eigenen sensitiven Bedürfnisse zu einer Art Reflex oder Gewohnheit werden.
Das kann soweit gehen, dass die eigenen Bedürfnisse kaum oder gar nicht mehr gespürt oder erkannt werden.
Aber wen adressiert dann die Verbundenheit, die Wertschätzung, die Akzeptanz, das Verständnis das Angenommensein – die Maske als überangepasstes Selbst, oder dem echten Selbst?
Dabei ist der tiefe Wunsch vieler Menschen doch gerade der nach aufrichtiger und wohlwollender Akzeptanz und Wertschätzung ihres authentischen Wesenskerns und ihres eigentlichen Selbstes – also der Person hinter der Maske.
Aufrichtige Akzeptanz
Für eine spürbare Verbundenheit mit und Akzeptanz des echten Selbst braucht es den Mut, die Überanpassung zu hinterfragen und zu wandeln.
Dabei hilft Selbst-Bewusstwerdung, eine spürbare und wohlwollende Selbst-Verbindung und schließlich Selbst-Akzeptanz.
Es ist wichtig, dass wir uns selbst und die feinfühlige Funktionsweise erkennen, verstehen, einordnen, sie akzeptieren und lieben lernen, damit wir sie als Stärke begreifen und nutzen können.
Eine große Stärke der Hochsensibilität ist die Empathie.
Sie nutzt Feinfühligen gegenseitig als heilsames Wiedererkennungs-Werkzeug.
Als Sensitive verstehen wir andere Sensitive Menschen auf ganz bedeutenden Ebenen – es ist ein gegenseitiges erkennen, verorten, vergleichen und spiegeln.
Damit erhalten (und geben) wir wesensgerechte Rückmeldungen über hochsensitive Verhaltensweisen, Eigenschaften und Stärken.
Die Bestätigung und Stärkung des Selbstwertgefühls und Selbstbewusstseins, die dadurch spürbar wird, ist weitreichend heilsam.
Diese Art von Verbundenheit sollten wir als erhöht Neurosensitive unbedingt suchen, weil sie auf so vielen Ebenenenorm wohltut und stärkt.
Die Bedeutung authentischer Begegnungen
Ich höre von all meinen sensitiven Gesprächspartner_innen, Klient_innen und Kund_innen, dass die Begegnungen mit anderen Hochsensitiven ein gehaltvolles und bereicherndes Erlebnis sind.
Dabei erleben die meisten sich sofort spürbar miteinander verbunden.
Es wird sehr schnell ein sinnreiches gegenseitiges Verständnis und Angenommensein erlebbar. Wertschätzung, Akzeptanz, Verständnis, Wohlwollen und eben das Gefühl der Zugehörigkeit werden meist begleitet von intensiver Freude, Berührtsein und der Erleichterung, nicht nur alleine „so“ zu sein.
In diesen Begegnungen und Beziehungen mit anderen Feinfühligen erst kann man sich als feinfühlige Person wahrhaftig erleben, sich beziehen auf das sensitive Gegenüber, auf die gemeinsamen Themen, Vorlieben, Fragen, Erlebnisse. Darin kann man sich endlich wahrhaftig und echt verorten und Position beziehen, weil man eine authentische, verständnisgeprägte Spiegelung erfährt. So wird eine echte, ehrliche Verbundenheit spürbar.
«Spiritualität ist tiefe Verbundenheit, wobei man auf drei verschiedenen Ebenen verbunden sein kann.
Erstens vertikal mit Gott, einem höheren Wesen.
Zweitens horizontal, etwa mit der Natur, mit dem Kosmos oder mit anderen Menschen.
Und drittens, in einer Tiefendimension, mit dem eigenen Selbst.»Henning Freund, Professor für Religionspsychologie, Klinische Psychologie und Psychotherapie
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